„Berliner Morgenpost“: Biden ist noch nicht fertig – Kommentar von Dirk Hautkapp zu Joe Biden

Von wegen Schlafmütze – oder wie sein Vorgänger stichelte: „Sleepy Joe“

So kämpferisch und schlagfertig hat man Joe Biden ewig nicht gesehen. 73 Minuten lang stürmte der 80-Jährige in seiner „Rede zur Lage der Nation“ durch Amerikas Gegenwart und wucherte mit Zukunftsversprechen. Danach war klar: Biden will 2024 wieder antreten fürs Weiße Haus. Warum? Weil er „noch nicht fertig ist mit dem Job“. Am Ende der letzten Schicht wäre er 86 …

Biden, der Unvollendete, hat es dabei mit zwei Wirklichkeiten zu tun. Seine unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie entstandene Arbeits­bilanz weist ihn gesetzgeberisch als einen der agilsten und erfolgreichsten US-Präsidenten seit Ende des Zweiten Weltkrieges aus. Allein, das alles übersetzt sich nicht in Wertschätzung auf der Straße. Bidens Umfragewerte sind unverändert prekär. Und die gewaltigen Investitionsprogramme, die Amerika „grüner“ machen, werden sich erst in fünf bis zehn Jahren richtig materialisieren. Viele Amerikaner spüren trotz niedrigster Arbeitslosigkeit, akzeptabler Benzinpreise, schwindender Rezessionsangst und zaghaft zurückgehender Inflation noch nicht, dass es ihnen besser geht.

All das trägt dazu bei, dass sich die Begeisterung für eine zweite Amtszeit in Grenzen hält. Fast 60 Prozent der demokratischen Wähler wollen 2024 einen Generationswechsel. Daran wird die von gelassener Altersrenitenz geprägte Performance, die Biden am Dienstagabend hingelegt hat, nichts ändern. Biden muss diese Spirale durchbrechen, wenn er in zwei Jahren gewinnen will. Er muss liefern, was Trump immer nur versprochen hat: echte Hilfe für den von der Globalisierung geschundenen kleinen Mann.

________________________

Quelle: BERLINER MORGENPOST
Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell