Die Zahl der Pilzvergiftungen in Deutschland hat sich in den vergangenen Wochen vervielfacht

Knollenblätterpilz: Hersteller des Gegenmittels lieferte im August vierfache Menge aus
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Die Zahl der Pilzvergiftungen in Deutschland hat sich in den vergangenen Wochen vervielfacht. Das Pharma-Unternehmen Viatris (Deutschlandniederlassung in Bad Homburg) hat im August bundesweit 500 Packungen seines Mittels Legalon SIL ausgeliefert – das einzige Mittel, das gegen eine Knollenblätterpilzvergiftung helfen kann. „Die Menge ist mehr als das Vierfache dessen, was wir sonst im August liefern“, sagt Unternehmenssprecherin Martina Mathilda Brunner dem WESTFALEN-BLATT.

„Der nasse Juli hat Pilze in einer Masse sprießen lassen, wie wir das zuletzt vor 20 Jahren erlebt haben“, sagt der Pilzsachverständige Daniel Frank aus Much im Rhein-Sieg-Kreis. „Wo früher drei oder vier Pilze wuchsen, sind es jetzt 30 oder 40.“ Mit der Menge der Pilze steige die Zahl der Vergiftungen, wobei Knollenblätterpilze die tödlichsten seien. Sie sollen für 90 Prozent der Pilz-Todesfälle in Deutschland verantwortlich sein.

Die Viatris-Sprecherin sagte, 500 ausgelieferte Packungen bedeuteten nicht, dass 500 Menschen eine Knollenblätterpilzvergiftung erlitten hätten. Der Hintergrund: Wissen Ärzte nicht sofort, welcher Pilz eine Vergiftung verursacht hat, wird vorsichtshalber Legalon SIL gegeben, denn wenn es ein Knollenblätterpilz war, schädigt sein Gift die Leber.

Da jede Packung des Mittels vier Dosen enthält, die aber nicht in jedem Fall gebraucht werden, kann die Zahl pilzvergifteter Patienten im August auch über 500 gelegen haben. Eine zentrale Erfassung der Fälle gibt es nicht.

Die Uniklinik Minden hatte vergangene Woche beklagt, dass sich ihre Apotheke nicht mit Legalon SIL habe bevorraten können und das Mittel für ein Kind mit Blaulicht aus Düsseldorf hätte geholt werden müssen. Dazu sagt Martina Mathilda Brunner: „So wie Grippe-Impfstoff wird auch dieses Medikament nicht permanent hergestellt, sondern saisonal.“ In diesem Jahr sei man von der wetterbedingt frühen Pilzsaison überrascht worden. „Und man kann eine Medikamentenproduktion nicht einfach von einem auf den anderen Tag umstellen.“ Deshalb werde das Produkt aktuell nur an das DRK-Notfalllager und jene Krankenhäuser geliefert, die entsprechende Notfälle zu versorgen hätten.

Viatris ist das einzige Unternehmen in Deutschland, das den Wirkstoff zur Bekämpfung einer Lebervergiftung durch Knollenblätterpilze herstellt. Es ist ein pflanzliches Mittel, das Silymarin aus der Mariendistel enthält. Unter dem Handelsnamen Legalon gibt es frei verkäufliche Tabletten, die die Leber schützen sollen. Für Pilzgiftopfer sind die nicht geeignet, für sie wird das hochdosierte Pulver Legalon SIL hergestellt, aus dem im Krankenhaus eine Infusionslösung zubereitet wird. Weil der Knollenblätterpilz der häufigste, aber nicht der einzige Giftpilz ist, gibt es noch weitere Therapien gegen andere Pilzgifte.

Eine erhöhte Zahl an Pilzvergiftungen stellt auch die Giftnotrufzentrale der Uniklinik Bonn fest, die Ärzte und Laien unter der Telefonnummer 0228/19240 berät – etwa 55.000 Mal im Jahr. Eine Ärztin: „Viele Menschen meinen, sie könnten Pilze im Internet bestimmen. Das endet leider oft fatal.“

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Quelle: Westfalen-Blatt, Christian Althoff
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Fotocredit: Bild: Beim Pilzesammeln ist im Hochsauerlandkreis und Umgebungin den nächsten Wochen besondere Vorsicht geboten, denn manche Pilze haben giftige Doppelgänger.

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