„Wir brauchen ein Wir-Gefühl“ 12. Delegiertenversammlung des Caritasverbandes Brilon e.V.

12. Delegiertenversammlung des Caritasverbandes Brilon e.V. – „Wir brauchen ein Wir-Gefühl“

Altkreis Brilon / Waldeck. Auf der 12. Delegiertenversammlung des Caritasverbandes Brilon blickte jetzt Vorstand Heinz-Georg Eirund auf ein durchaus erfolgreiches Jahr zurück. 98 Prozent der Leistungsentgelte müssen durch die Auslastung der Dienste und Einrichtungen erwirtschaftet werden. „Der Verband ist betriebswirtschaftlich gesund, allerdings blicke ich sorgenvoll in die Zukunft“, sagte Caritas-Vorstand Heinz-Georg Eirund. Über die internationalen, nationalen und regionalen Faktoren, welche die Arbeit und Angebote sowie das Wirtschaften im Caritasverband Brilon beeinflussen, sprachen die Teilnehmer*innen während der dreieinhalbstündigen Versammlung. Das Gemenge aus Krieg und Krisen und deren indirekten wie direkten, absehbaren wie unvorhersehbaren Auswirkungen bezeichnete  Anne Bartholome, stellvertretende Vorsitzende Caritasrat, als „Ultra-Marathon“.

Der Ultra-Marathon: Hilfebedarf wird steiler steigen, die Mittel noch schneller sinken.
Seit 2015 wird die Taktung im Krisenmanagement bei der Caritas Brilon sowohl schneller als auch komplexer: Aufnahme von Geflüchteten, Corona, Angriffskrieg auf die Ukraine, Blackout-Prävention, Cybersicherheit, der Nahost-Konflikt und der Klimawandel: „Es ist die Gleichzeitigkeit, Komplexität sowie die Verknüpfung der aktuellen Krisen und Herausforderungen, die uns auch langfristig beschäftigen werden“, sagte Vorstand Heinz-Georg Eirund. „Die globalen Eskalationen führen auch zu Krisen des Staates und der Kostenträger wie Krankenkassen, Landschaftsverbände, Land und Kommunen.“

Die Mittel werden knapper, während gleichzeitig die Preise steigen. Allseits bekannte Schlagworte dazu sind: Lebensmittel, Bauen, Energie. „In der Regel wächst der Hilfebedarf von Menschen in der Krise“, sagte Vorstand Eirund. Er erneuerte vor diesem Hintergrund seine Kritik an den geplanten fundamentalen Kürzungen im Sozialen im Bundeshaushalt für 2024: „Die Finanzierung von sozialen Leistungen bricht dadurch ein, punktuell sogar weg.“ In der Konsequenz bedeute das, dass soziale Pflichtdienstleistungen des Staates gefährdet werden.

Beispielsweise sollen Bauvorhaben für Mutter-Vater-Kind-Kliniken nicht mehr gefördert werden.

Weitere drastische Kürzungen zielen auf den Bereich der Migrationsberatung. „Und das in einer Zeit, in der sehr viele Menschen mit Fluchtgeschichten bereits zu uns gekommen sind, und zwar noch nie mehr wie in diesem Jahr. Diese Menschen brauchen Orientierung, Begleitung und Sprachkurse, um sich schneller und dadurch letztlich auch kostensparender in unseren Systemen zurechtzufinden. Das kann Ehrenamt nicht allein tragen.“ Eirunds Aussage erhielt Zustimmung aus den Reihen der Delegierten, die sich ehrenamtlich für Menschen mit Fluchtgeschichte engagieren.

Die inflationsbedingte plus die von der Regierung geplanten Ressourcenkürzungen treffen darüber hinaus auf weitere Faktoren, die das Wirtschaften für die Wohlfahrt grundlegend erschweren. „Nichts ist mehr heilig“, so Eirund. „Mitunter herrsche eine intransparente Bürokratisierung gepaart mit einer als träge zu bezeichnende Zahlungsmoral vieler Kostenträger. Selbst wenn annähernd auskömmliche Finanzierungen erreicht werden, müssen Mehrkosten über längere Zeiträume vorfinanziert werden.“ Ebenfalls Fehlanzeige seien auskömmliche Mittel für Risikorücklagen, Digitalisierungsprozesse und Strategieentwicklung sowie Personalentwicklungsmaßnahmen in Zeiten von Fachkräftemangel und Tarifsteigerungen. „Dabei brauchen wir Innovationen, weil wir angesichts des demografischen Wandels mit klassischen Altenheimen und Sozialstationen allein den Pflegemangel nicht bewältigen können.“ Die aktuellen Herausforderungen könnten jetzt noch auf Grundlage der wirtschaftlichen Stabilität des Verbandes gemeistert werden. „Aber es liegt immer mehr im Bereich des Möglichen, dass wir als Caritas priorisieren müssen. Wenn wir von den Kostenträgern für unsere gute Qualität nicht die erforderlichen finanziellen Mittel bekommen, müssen wir diese Aufgaben an die Kostenträger und den Staat zurückgeben. Es kann nicht sein, dass wir Pflichtaufgaben des Staates übernehmen und das Risiko allein tragen.“

Die Rolle der Caritas in Krisenzeiten: Wir brauchen ein Wir-Gefühl
„Die Welt, wie wir sie kennen, ist in der Krise. Das hat Auswirkungen auf unsere Arbeit, denn als Caritas folgen wir den Leitsätzen Not sehen und handeln sowie dem Menschen dienen. Es gibt mehr Armut und mehr Menschen sind auf der Flucht. Wir sind gefordert: In Tat und Haltung geben wir ein glaubwürdiges Zeugnis für eine lebendige Kirche, die für alle Menschen da ist“, sagte Anne Bartholome, stellv. Vorsitzende Caritasrat. Tat und Haltung zu wahren, sei die Rolle der Caritas – auch gegen Fremdenfeindlichkeit, Rechtspopulismus, Antisemitismus. „Als Caritas gilt unsere Solidarität den Schwachen und Benachteiligten, auch wenn die Kräfte handfest zu helfen, gegen Widerstände anzukämpfen, für Unterstützung zu werben, geschwunden sind. Unsere Haltung für ein menschliches und solidarisches Handeln darf aber nicht daran zerbrechen! Aber wir müssen uns mehr denn je selbst stärken, aufmuntern, unterstützen. Wir brauchen ein Wir-Gefühl“, appellierte Heinz-Georg Eirund.

Dankeschön: Ehrenamtliches Engagement in schwierigen Zeiten

Einen besonderen Dank wurde auf der Delegiertenversammlung den ehrenamtlich Engagierten der Caritas Brilon ausgesprochen. „Das Ehrenamt gehört zum festen Fundament des Verbandes“, betonte Caritasrätin Anne Bartholome. Als neue Bindeglieder zwischen den ehrenamtlich tätigen Caritas-Konferenzen (kurz CKD) und dem Caritasverband stellten sich die neuen Caritas-Koordinatorinnen Nadine Gebauer für das Dekanat Waldeck und Ramona Pape-Stuhldreier für das Dekanat Hochsauerland-Ost vor. „Die CKDs sind in unserem Bistum, insbesondere auch in unseren beiden Dekanaten, noch gut aufgestellt. Aber wir spüren Veränderungen“, sagte Vorstand Eirund. Der Altersdurchschnitt ist hoch, Konferenzen lösen sich auf und in vielen Gemeinden gerät das diakonische Handeln aus dem Blickfeld. Aus diesen Gründen werden Nadine Gebauer und Ramona Pape-Stuhldreier eine Analyse der Bedarfe, Ressourcen und Möglichkeiten durchführen, um daraus in Abstimmung mit den CDK-Regionalsprecherinnen Ziele zu definieren. Ein Ziel steht bereits fest: Die Kooperation mit der Pastoral neu zuordnen.

Info-Kasten: Caritas-Mythen – richtig oder falsch?

Das markante Rot und das Flammenkreuz-Logo der Caritas sind sehr vielen Menschen bekannt. Auch wissen viele, dass die Caritas hilft. Zugleich halten sich mitunter hartnäckig Mythen, wie:

  • In Caritas Diensten und Einrichtungen wird nur katholischen oder christlichen Menschen geholfen. Richtig?

Nein, das stimmt nicht. Die Caritas fragt weder nach Konfession, Herkunft, noch nach der Lebensleistung.

  • Bei der Caritas können nur Menschen arbeiten, die eine katholische oder christliche Konfession haben. Richtig?

Falsch. Bei der Caritas arbeiten Menschen aller Konfessionen und auch ohne konfessionelle Zugehörigkeit.

  • Bei der Caritas können nur heterosexuelle Menschen arbeiten und Geschiedene müssen gehen. Richtig?

Wieder falsch. Bei der Caritas arbeiten Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebensstilen, sexueller Orientierung sowie Ehe- und Partnerschaftsformen. Ebenso arbeiten in der Dienstgemeinschaft Menschen, die sich haben scheiden lassen und wieder verheiratet sind.

  • Die Caritas wird überwiegend durch Kirchensteuermittel finanziert. Richtig?

Stimmt auch nicht. Der Anteil der Kirchsteuermittel beträgt weniger als 1 % des Caritas Brilon-Haushaltes. 98 Prozent muss die Caritas Brilon erwirtschaften.

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Caritas 2

Caritas 1

 

Quelle: Sandra Wamers, Interne | Externe Kommunikation, Marketing, Caritasverband Brilon e.V.

Bilder – Zwei Wege, ein Ziel: Das Engagement für Menschen in Not wird von der Caritas im Miteinander von Ehren- und Hauptamt erbracht. Als neue Bindeglieder zwischen den ehrenamtlich tätigen Caritas-Konferenzen und dem Caritasverband stellten sich die neuen Caritas-Koordinatorinnen Nadine Gebauer (2.v. l.) für das Dekanat Waldeck und Ramona Pape-Stuhldreier für das Dekanat Hochsauerland-Ost auf der Delegiertenversammlung vor. Anne Bartholome (stellv. Vorsitzende Caritasrat) und Heinz-Georg Eirund (Vorstand Caritas Brilon) freuen sich auf die Zusammenarbeit.

Fotos: Sandra Waters, Caritas Brilon
Plenum: Abstimmung auf der Delegiertenversammlung des Caritasverbandes Brilon
Portrait: Heinz-Georg Eirund, Vorstand Caritasverband Brilon e.V. / Bild:©Sabirinity

 

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