Das Armutszeugnis: Essensgeld kann nicht bezahlt werden, Klassenfahrten müssen abgesagt werden, Lernmittel fehlen …

Das Armutszeugnis – Kommentar von Andreas Härtel zum Schulbarometer

Lehrerinnen und Lehrer stellen in den Klassenzimmern vieles in Echtzeit fest, was Statistiken erst im Nachhinein erfassen. Deshalb lässt es aufhorchen, wenn nach dem sogenannten Schulbarometer die Sorge um die finanzielle Situation der Kinder und Familien heute eine deutlich größere Rolle spielt als noch vor einem Jahr. Mögliche Gründe liegen auf der Hand: Die hohe Inflation, vor allem jene bei Lebensmitteln, trifft Familien hart, insbesondere solche mit mehreren Kindern.

Da wundert es nicht, wenn heute häufiger das Essensgeld nicht bezahlt werden kann, Klassenfahrten abgesagt werden, Lernmittel fehlen.

Für ein Land wie Deutschland ist das aber ein Armutszeugnis. Und es beschämt fast schon, welche Diskussionen sich die Republik vor diesem Hintergrund manchmal leistet. Was hat die Bundesregierung über die Kindergrundsicherung gestritten! Und dann hat sie den ursprünglich dafür vorgesehenen Betrag auf ein Fünftel zusammengestrichen. Was hat die Republik über das Elterngeld diskutiert! Wegen einer Kürzung für Paare mit einem Jahreseinkommen über 150.000 Euro. Und dann ist da noch die Diskussion um die Milliarden, die dafür gezahlt werden, dass viele tausend neue, klimagerechte Heizungen eingebaut werden können. Wer profitiert? Richtig, vor allem Hausbesitzer. Nicht falsch verstehen: Letzteres ist gerechtfertigt, schon weil der Staat in Eigentum eingreift.

Aber wer bei Immobilien freigiebig das Portemonnaie öffnet, sollte bei armen Kindern nicht knausrig sein – und genau hinschauen, wie es den Kleinen geht. Es führt kaum ein Weg an der niederschmetternden Erkenntnis vorbei: Kinder haben in Deutschland keine Lobby – oder zumindest keine, die stark genug ist. Da soll sich nur niemand wundern, wenn sich Familien abgehängt und vergessen fühlen.

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Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz, Zentraler Newsdesk
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