Berliner Morgenpost: Es geht um die Sicherheit aller ein Kommentar von Justus Bode über die mögliche Einführung einer Eignungsprüfung für Ü-70-Autofahrer
Einmal mit 18 gemacht und mit 80 immer noch damit unterwegs: Ein deutscher Führerschein gilt ein Leben lang. Das ist ein Fehler. Und das sieht auch die Europäische Union so. Sie will Senioren ab 70 gesetzlich verpflichten, ihre Tauglichkeit alle fünf Jahre mit einem Test nachzuweisen – im Gegensatz zu Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der die Verantwortung lieber auf Angehörige abwälzen will.
Doch diesen fehlt die Objektivität. Ihnen aufzuerlegen, ihre Verwandten zu überwachen und im Zweifelsfall zu überzeugen, den Führerschein abzugeben, ist nicht fair. Den eigenen Eltern beispielsweise zu verbieten, weiter mit dem Auto zu fahren, weil sie nicht mehr sicher unterwegs sind, kann zu Streit führen und die Beziehung belasten. Oder ihnen fehlt einfach komplett die Einsicht. Viele Menschen wollen sich nicht vorschreiben lassen, was sie zu tun haben. Bei dem Gesetz von staatlicher Bevormundung zu sprechen und sie dann durch eine private zu ersetzen, ist der falsche Ansatz.
Das Risiko für Unfälle ist im Alter erhöht: Reaktionszeit und Sehkraft nehmen ab, Vorerkrankungen und Medikamente schränken die Konzentration zusätzlich ein. Auch wenn sich aus Statistiken ablesen lässt, dass über 70-Jährige nicht signifikant häufiger in schwere Unfälle verwickelt sind, ist es gleichwohl so, dass Senioren, die an Unfällen beteiligt sind, meistens die Hauptverursacher sind. Mit den geforderten Prüfungen könnten diese Unfälle verhindert werden. Auch wenn viele Senioren fürchten, ihre Unabhängigkeit zu verlieren, müssen andere Verkehrsteilnehmer geschützt werden. Und solange ältere Menschen den Test bestehen, behalten sie ja ihren Führerschein.
Bei über 75-Jährigen steigen die Unsicherheit und das Unfallrisiko stark an: Es liegt gleichauf mit dem von 18- bis 20-Jährigen und damit dreimal so hoch wie das von anderen Altersgruppen. Das zeigen Statistiken der deutschen Versicherer, in denen Unfälle im Bezug zur gefahrenen Strecke ausgewertet werden. Aber während Fahranfänger durch ihre Probezeit mit härteren Konsequenzen rechnen müssen, ist das bei den Senioren nicht der Fall. Es ist an der Zeit, das zu ändern.
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