Zum Tag der Kinderrechte: Kinder haben ein Recht auf Schutz

Am 20. November 1989 wurde die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet – das sogenannte Übereinkommen über die Rechte des Kindes manifestiert in insgesamt 54 Artikeln die Schutz-, Beteiligungs- und Förderrechte aller Kinder weltweit.

Ist daher der „Tag der Kinderrechte“ ein Grund zu feiern? Mitnichten. Denn nicht nur weltweit, sondern auch bei uns in Deutschland werden Kinder oft noch immer nicht ausreichend geschützt, gefördert oder beteiligt. Gerade im Bereich des Kinderschutzes liegt auch hierzulande einiges im Argen: So veröffentlichte das statistische Bundesamt kürzlich besorgniserregende neue Zahlen zu Kindeswohlgefährdungen, die im Jahr 2022 einen neuen Höchststand erreichten.

Was jede*r einzelne tun kann, um Kinder und Jugendliche vor Gewalt zu schützen, und warum Kinderschutz uns alle angeht, erläutert Barbara Mühlenhoff, Referentin der Stabsstelle Kinder- und Betreutenschutz bei SOS-Kinderdorf e.V.

Frau Mühlenhoff, Sie sind Kinderschutzbeauftragte bei SOS-Kinderdorf und somit Expertin, wenn es darum geht, junge Menschen besser vor körperlicher und seelischer Gewalt, vor sexuellen Übergriffen oder Verwahrlosung zu bewahren. Aus Ihrer Sicht: Was kann jede*r einzelne tun, um den Kinderschutz zu fördern?

Kinderschutz geht uns alle an – ohne Wenn und Aber. Wir sind daher alle gefragt, für Kinder sichere Orte zu schaffen und eine gesellschaftliche Haltung des Hinschauens, Erkennens und Handelns zu etablieren. Kinderrechte sind die Regeln, die dem zugrunde liegen. Deshalb sollte sich jede*r über Kinderrechte informieren – denn nur wenn wir diese kennen, können wir danach handeln.

Das statistische Bundesamt veröffentlichte kürzlich neue Zahlen zu Kindeswohlgefährdungen in Deutschland, sie erreichen einen neuen Höchststand. Was sind aus Ihrer Sicht Gründe für die alarmierende Zunahme von Kinderschutzfällen?

Die Jugendämter meldeten bei fast 62 300 Kindern und Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung bzw. durch psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt. Das sind rund 4 % mehr als im Jahr zuvor. Ein Viertel der Meldungen kam aus der Bevölkerung, also von Verwandten, Bekannten, Nachbarn oder anonym. Es ist einerseits anzunehmen, dass die Öffentlichkeit für das Thema inzwischen mehr sensibilisiert ist. Das sind gute Nachrichten, denn die Dunkelziffer bei Kindeswohlgefährdung ist hoch; jeder gemeldet Fall hilft den Betroffenen und trägt wiederum zu mehr Aufmerksamkeit bei.

Zugleich müssen wir aber leider auch einen tatsächlichen Anstieg der Fallzahlen annehmen. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Es ist bekannt, dass psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen stark zugenommen haben. Dies kann bei Erziehungsberechtigten zu Überforderung führen. Vor allem, wenn gleichzeitig großer Druck durch stressige Lebensumstände, durch Arbeitslosigkeit oder Armut vorliegt. Gerade Armut ist ein zentraler Belastungsfaktor für Familien.

Was tut SOS-Kinderdorf, um junge Menschen zu schützen?

Kinderschutz ist im SOS-Kinderdorfverein „Teil der DNA“: Wir betreuen junge Menschen, für deren Schutz wir in hohem Maße verantwortlich sind, und zwar jeden Tag, in allen unseren Angeboten und ohne Ausnahme. Neben festgeschriebenen Grundlagen für gutes pädagogisches Handeln, für Beschwerdemöglichkeiten, für Prävention und Intervention werden im derzeit laufenden „Aktionsplan Kinderschutz“ Struktur, Wissen und Handeln auf allen Ebenen des Vereins reflektiert und gefestigt. Das Wohl der jungen Menschen steht immer im Mittelpunkt, alle sollen dafür gehört und gesehen werden!

Der Internationale Tag der Kinderrechte; er macht auf die UN-Kinderrechtskonvention aufmerksam, welche die Schutz-, Beteiligungs- und Förderrechte von Kindern festschreibt. Welche Rolle spielen diese für einen gelingenden Kinderschutz und was muss in der Politik passieren, damit Kinder ihre Rechte auch wirklich wahrnehmen können?

Die Kinderrechte zu kennen, heißt zu wissen, was den Rahmen des Kinderschutzes ausmacht: Schutz vor Gewalt, Recht auf Bildung, Recht auf Information und Recht auf Gesundheit.

Gegenfrage: Wie viele Kinderrechte können Sie aufzählen…? Hier braucht es eine Sensibilisierung der gesamten Gesellschaft, damit Kinderschutz eine Selbstverständlichkeit wird und mehr Relevanz für jede*n einzelne*n erhält.

Gelingender Kinderschutz benötigt daneben Ressourcen: Zeit, Geld und Menschen. Es braucht dringend ein Gegensteuern beim Fachkräftemangel in der Jugendhilfe, aber auch in Kitas und Schulen – es liegt auf der Hand, dass Kinderschutz nur umgesetzt und vermittelt werden kann, wenn sich genug kompetente Menschen darum kümmern. Auch Überforderungssituationen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen – ob in öffentlichen Stellen oder daheim – können nur vermieden werden, wenn genug Fachkräfte da sind, die genau hinschauen, die belastete Familien begleiten und bestenfalls schon präventiv gegensteuern, bevor es überhaupt zu Gefährdungssituationen kommt.

Und nicht zuletzt scheint Artikel 1 unseres Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ als absolute Vorgabe nicht ausreichend zu sein; die Umstände zeigen, dass Kinder und Jugendliche darin nicht in ausreichendem Maße eingeschlossen werden. Wenn Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen würden, bliebe an dieser Stelle keine Frage offen.

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Quelle: SOS-Kinderdorf e.V., Magdalena Tanner-Kaerger
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Bildunterschrift: Barbara Mühlenhoff ist Kinderschutzbeauftragte des SOS-Kinderdorf e.V.
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